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Dror Mishani: "Drei“ Spannend, überraschend, (fast k)ein Krimi
Diogenes Verlag, Zürich 2019, 336 Seiten Darum geht es: Hat es daher dieses Werk als erster Krimi jemals in unseren Literaturkreis geschafft? Vielleicht. Dabei hat der Autor selbst übrigens Zweifel geäußert, ob „Drei“ überhaupt noch ein Krimi ist. Allerdings ist die Genrefrage unerheblich, viel wichtiger ist es, dass dies ein gut geschriebener und bewegender Roman ist. "Drei" portraitiert titelgebend drei sehr unterschiedliche Frauen aus Tel Aviv, die allesamt (zeitversetzt) eine Beziehung zu ein- und demselben Mann haben. Zunächst erzählt Orna, wie sie als Gymnasiallehrerin allein mit ihrem neunjährigen Sohn in Tel Aviv lebt. Über ein Datingportal lernt sie Gil kennen, einen Anwalt, Anfang 40, ebenfalls geschieden mit zwei Töchtern. Gil ist leger und humorvoll, behutsam geht er auf Orna ein und gewinnt ihre Aufmerksamkeit. Während Ornas Exmann mit neuer Frau und deren vier Kindern in Kathmandu lebt, versucht Orna schließlich, sich mit Gil ein neues Leben aufzubauen. Im zweiten Kapitel, das einige Jahre später spielt, steht Emilia im Mittelpunkt. Emilia ist eine aus Riga stammende Pflegekraft, die vor wenigen Jahren nach Israel gekommen ist. Sie pflegt und betreut Gils Vater. Als dieser stirbt, verliert sie Job und Unterkunft. Gil, in der ihm eigenen großzügig unaufdringlichen Art, stärkt ihr Selbstwertgefühl und hilft ihr, wieder Fuß zu fassen. Im letzten Kapitel geht es um Ella. Sie hat neben zwei älteren Töchtern vor zehn Monaten noch ein drittes Kind bekommen. Um der Enge ihres Alltages zu entfliehen, hat sie sich für ein Masterstudium eingeschrieben. Nach einer längeren, kumpelhaften Annäherung an Gil entwickelt sich doch mehr. So klingt der Roman: In den Kritiken zu dem Buch werden insbesondere auf zwei großen Themen hingewiesen, die wir als (deutsche) LeserInnen allerdings nur bedingt herauslesen konnten. Das ist zum Einen das Thema Diskriminierung und Machtgefüge. Gil gehört einer privilegierten Schicht an, er bzw. seine Familie stammen aus Europa ab, im Gegensatz zu den von ihm gedateten Frauen. Nur über dieses Machtgefälle, so der Autor, kann es zu den beschriebenen Verläufen kommen. Zum anderen ist es das Thema Gewalt und Grausamkeit der israelischen Gesellschaft. Zitat Dror Mishani: "Ich glaube, ich weiß jetzt, was an Drei typisch israelisch ist: die Grausamkeit, die der Roman beschreibt. In dem Sinn, dass in einer Gesellschaft, die in einem ständigen Kriegszustand lebt, eine Normalisierung und Rationalisierung von Gewalt und Tod stattfindet. Bis hin zu dem Punkt, dass man sie gar nicht mehr als Gewalt wahrnimmt. Für mich ist Drei eine Kampfansage gegen die Normalisierung von Tod und Gewalt." Das ist unsere Meinung: Fazit: | |
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