Dünn, bemüht und selbstverliebt
Suhrkamp, 2022, 400 Seiten
Darum geht es:
An einem stürmischen Tag des Jahres 1920 kommt sie zur Welt, jüngste Schwester von fünf übermütigen Brüdern, Violeta del Valle. Die Auswirkungen des Krieges sind noch immer spürbar, da verwüstet die Spanische Grippe bereits ihre südamerikanische Heimat. Zum Glück hat der Vater vorgesorgt, die Familie kommt durch, doch schon droht das nächste Unheil, die Weltwirtschaftskrise wird das vornehme Stadtleben, in dem Violeta aufwächst, für immer beenden. Die del Valles ziehen sich ins wild-schöne Hinterland zurück. Dort wird Violeta volljährig. Schon steht der erste Verehrer vor der Tür …
Violeta erzählt uns selbst ihr Leben. Am Ende ihrer Tage schreibt sie ihrem geliebten Enkel einen langen Brief – sie erzählt ihm von ihren halsbrecherischen Affären, den Jahren der Armut, von schrecklichen Verlusten und tiefempfundener Freude, von historischen Vorkommnissen, die ihr Leben geprägt haben: von dem Kampf für die Rechte der Frauen, dem Aufstieg und Fall von Tyrannen und von zwei schrecklichen Pandemien.
Viel lieber möchte er als mathematisch-psychologisches Genie in die Geschichte der Wall Street und damit in die amerikanische Geschichte eingehen, flankiert von seiner liebevollen, zartbesaiteten, naiven Ehefrau, die seinem Reichtum - zu ihren Lebzeiten und darüber hinaus - einen altruistischen, philantropen Touch verliehen hat.
Über die Autorin:
Allende, geboren 1942 in Lima, Peru, lebt heute in zweiter Ehe in Kalifornien. Sie war als Journalistin und Moderatorin tätig, heiratete früh und bekam zwei Kinder. Nachdem der mit ihr verwandte chilenische Präsident Salvador Allende bei einem Militärputsch 1973 ums Leben gekommen war, ging sie 1975 ins Exil nach Venezuela.
1982 wurde gleich ihr erster Roman "Das Geisterhaus" ein großer Erfolg. Von ihren weiteren Büchern bewegt besonders der 1992 erschienene Roman "Paula": Ihn schrieb Allende am Krankenbett ihrer sterbenden Tochter.
Ihre Bücher haben sich millionenfach verkauft und sind in mehr als 40 Sprachen übersetzt worden. Der vielleicht wichtigste von zahlreichen Preisen in Isabel Allendes Karriere ist der ihr 2010 verliehene "Nationale Literaturpreis" Chiles, den vor ihr erst drei Frauen erhalten haben.
So klingt der Roman:
In einem stetigen Strom unfassbar wortreicher Geschichten erzählt Violeta ihr 100 Jahre altes Leben beginnend 1920 in der damaligen Grippepandemie und endend 2020 in der Coronazeit, also wieder in einer Pandemie.
Wir lesen einerseits die inspirierende Geschichte einer eigensinnigen, leidenschaftlichen, humorvollen Frau. Einer Frau, die Aufruhr und Umwälzungen ihrer Zeit nicht nur bezeugt, sondern am eigenen Leib erfährt und erleidet. Und die sich gegen alle Rückschläge ihre Hingabe bewahrt, ihre innige Liebe zu den Menschen und zur Welt.
Das Buch besteht aber aus einer langen Erzählung, enthält wenig wörtliche Rede und mäandert somit ruhig aber doch faszinierend durch das bewegte Leben einer Frau, ihrer Lieben, ihres Liebeslebens und vermengt sich mit historischem Wissen wie so oft in den Büchern von Allende.
Bewertung:
Am Ende war es dann doch für uns etwas langatmig und ohne größere Emotionen, obwohl so viel Grundlegendes und Aufreibendes mit und um Violeta herum passiert.
So fiel auch die Wertung eher durchschnittlich aus. Immerhin erreichte der Roman 3 von 5 möglichen Punkten - für ein Werk, das im Verkauf und in der Bewertung sicherlich sehr von den bisher erschienen Meisterwerken von Isabel Allende und ihrem Namen profitiert. (AD)