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Buchkritik

Juli Zeh Simon Urban: "Zwischen Welten“

Luchterhand, 2023, 448 Seiten


Darum geht es:
Milchbäuerin Theresa hat den Hof ihres Vaters übernommen, eine ehemalige LPG in Brandenburg. Stefan ist Journalist beim „Boten“. Beide lebten im Germanistikstudium in einer WG in enger häuslicher und freundschaftlicher Gemeinschaft. Als Mittvierziger hat beide eine neue Realität eingeholt. Als sie sich zufällig treffen, erkennen sie sich kaum wieder: Stefan biedert sich bis zur Unkenntlichkeit bei jungen, woken KollegInnen an, während Theresa sich fern jeder früheren Intellektualität auf Ihrem Hof abrackert, um ihren Kleinbetrieb über Wasser zu halten. So endet das erste Wiedertreffen nach Langem in einem Eklat. Doch dann nehmen beide einen Dialog über Whatsapp wieder auf. Sie versuchen, sich nicht nur ihre gegenseitigen Lebenswelten nahezubringen, sondern auch, politische Überzeugungsarbeit des jeweils anderen zu leisten. Die Ereignisse und damit die Geschichte nehmen zusehends an Fahrt auf.


So klingt der Roman:
Die moderne Version eines Briefromans bildet in ihrer Form ein hochaktuelles gesellschaftliches Problem ab: Die Unfähigkeit zum echten Dialog zwischen einstig verbundenen Bürgern, die durch soziale Polarisierung immer weiter auseinanderdriften. Denn trotz intensiver elektronischer Kommunikation gehen die beiden Freunde nur in seltenen Momenten wirklich aufeinander ein, sondern versinnbildlichen nur verschiedene Gefälle der heutigen deutschen Gesellschaft: woke – bürgerlich, intellektuell – physisch, reale Demonstration – virtueller Shitstorm, urbaner Langzeitsingle – ländliche Familie.


So manches Mal leidet die Glaubhaftigkeit, nicht die der erzählten Geschehnisse, sondern die der Stunden andauernden und zu jeder Tages- und Nachtzeit stattfindenden elektronischen Kommunikation. Das Gesamtexperiment eines Briefromans, der tatsächlich von zwei Autoren verfasst ist, gelingt jedoch aufgrund der Relevanz und Aktualität der verhandelten Themen.


Besonders lebhaft diskutierten wir die Frage, für welches Publikum Juli Zeh und Simon Urban schreiben, ob der Roman Ost- und Westdeutsche gleichermaßen anspricht, und wer sich in den polarisierten Ansichten ganz oder zu Teilen wiederfindet. Wir fanden eine zunehmende gesellschaftliche Diskursunfähigkeit in den (Pseudo-)dialogen der Hauptfiguren sehr treffend zugespitzt.


Bewertung:
Die durchschnittliche Gesamtnote von 3,4 zeigt, dass die etwas flachen, hölzernen Figuren dem Leseerlebnis keinen Abbruch taten. Zwar störten sich die meisten von uns an den unrealistischen oder überzeichneten Figuren, bewerteten den Roman aber als spannend. Die als sehr interessant empfundenen, wenn auch zahlreichen, zeitaktuellen Themen trugen dazu bei, dass „Zwischen Welten“ gerne gelesen wurde.

(AK)

 

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