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Judith Herrmann - Wir hätten uns alles gesagt

Abb. © Verlag
Buchkritik

Marie N´Diaye: "Drei starke Frauen“

Politisch, erschreckend, betrüblich
Suhrkamp, 2010, 300 Seiten


Die Autorin


Für „Drei starke Frauen“ wurde die aus dem Senegal stammende Französin Marie N´Diaye mit dem französischen Literaturpreis Prix Goncourt ausgezeichnet. Marie N´Diaye, 43, verließ Frankreich aus Protest gegen die Einwanderungspolitik von Sarkozy und lebt heute mit Mann und Kindern in Berlin.


Der Inhalt des Buches


In drei lose miteinander verwobenen Geschichten erzählt Marie N´Diaye die Lebensgeschichte von 3 afrikanischen Frauen.
- Norah, die sich erfolgreich als Juristin in Paris etabliert hat, besucht den gehassten Vater in Dakar, Senegal. Er hat sie gerufen, um den Bruder aus dem Gefängnis zu holen.
- Fanta, die Lehrerin, hat Dar es Salam verlassen, um ihrem Mann nach Frankreich zu folgen. Dessen Träume vom beruflichen Erfolg zerplatzen in der Provinz – und mit ihm der Lebenstraum von Fanta.
- Khady wird von den Eltern ihres verstorbenen Ehemanns verstoßen und soll illegal nach Frankreich einwandern. Diese Flucht überlebt Khady nicht.


Exil, Verrat und Gewalt in der Familie


Um diese drei Themen kreisen die Geschichten des Buches. Frankreich, die frühere Kolonialmacht – sie ist für Khady das unerreichbare Ziel, für Fanta und ihren Mann der Ort ihres Scheiterns und für Juristin Norah ein Ort, an dem sie sich nur mit äußerster Disziplin durchsetzen kann. Und alle drei werden von Männern aus Schwäche und Feigheit verraten. Da gibt es den Vater, der Frau und Töchter im Stich lässt. Den Mann, der seine Frau belügt, um sie nach Frankreich zu locken. Und den Begleiter der Flüchtigen, der sie opfert, um selbst zu entkommen. In jeder der Geschichten ist der Leser zudem mit Gewalt bis hin zum sinnlosen Mord konfrontiert.


Die Bewertung der Shortlist-Mitglieder:
  • Die reportageartig erzählte Fluchtgeschichte von Khady ist sicher die der drei Geschichten, die am meisten unter die Haut geht, die berührt und in ihrer Direktheit erschreckt.
  • Sprachlich gefiel uns dagegen die zweite Geschichte besonders gut. Über die Afrikanerin Fanta erfahren wir hier nur über ihren Mann, die Hauptfigur der Geschichte, der als Küchenverkäufer sein Leben in der Provinz fristet und von der Liebe zu Fanta zehrt.
  • Ermüdend und zu dick aufgetragen waren mitunter die magischen Motive, die zum Verständnis der Geschichte und der Situation wenig beitragen.
  • Und: Stark ist keine der drei Frauen. Duldsam, leidensfähig sicherlich. Aber nicht stark. Insofern passt eigentlich weder der Deutsche noch der Französische Titel zu den drei Geschichten (Trois femmes puissantes).

Gesamteindruck


Gut. Drei starke Frauen ist vor allem auch ein politisch interessantes Buch, dessen drei sprachlich ganz eigenständige Geschichten drei ganz unterschiedliche, aktuelle Schlaglichter auf das Leben afrikanischer Frauen im 21. Jahrhundert werfen. Wir geben deshalb 3,4 Punkte – bei einer möglichen Bewertung von 0 (schlecht) bis 5 Sterne (das perfekte Buch). ()

 

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