Fordernd, tragisch, preiswürdig
Luchterhand 2013, 688 Seiten
Inhalt
Darius Kopp, Workaholic aus dem Vorgängerroman „Der einzige Mann auf dem Kontinent“, hat nichts mehr zu verlieren: seine Frau Flora hat sich im Wald erhängt, seinen Job bei der mysteriösen IT-Firma hat er verloren. Mit zwei Kartons - einer enthält die Urne mit Floras Asche, der andere Geld unbekannter Herkunft aus seinem Ex-Büro – macht er sich mit dem Auto auf die Reise durch die ehemalige UdSSR, um Flora auf die Spur zu kommen. Auf dem Weg durch den Balkan begegnet er allerlei tragikkomischen Gestalten und findet dabei zaghaft heraus aus der Isolation der Trauer.
Parallel dazu kommt Flora in ihren Tagebucheinträgen zu Wort, einem Dokument von Migration, Wurzellosigkeit, Talent, Krankheit, Hoffnung, Kampf, Zähigkeit, Einsamkeit und zuletzt dem Zerbrechen an einer Krankheit, die Flora sich selbst zerstören lässt.
Stil & Sprache
Kopps und Floras Leben verlaufen parallel – sie berühren sich trotz der zehnjährigen Ehe nie. In einer horizontalen Trennlinie sämtlicher Seiten macht Terézia Mora diese Parallele und Beziehungslosigkeit beider überdeutlich.
Auch Wortwahl und Syntax unterscheiden sich bei beiden stark: Kopp erzählt emotional, voller Zwischentöne; von ihm wird teils auch aus der auktorialen Perspektive erzählt; er sieht über sich selbst hinaus, kann andere noch spüren. Flora berichtet mehr, als von sich zu erzählen; andere Menschen scheint sie bestenfalls als austauschbar, schlimmstenfalls als bedrohlich wahrzunehmen; ihr Bericht mutet zunehmend brüchig an und zerfällt zuletzt bis auf Buchstaben.
Dramaturgie
Sowohl das Warten auf eine Erklärung für Floras rätselhafte Krankheit als auch das Warten auf eine Erlösung Kopps von seiner Trauer vermochte einige unter uns beim Lesen bis zum Schluss zu halten.
Themen
Wanderschaft, die teils vergebliche Suche nach Antworten, nach Genesung, nach einer Identität, einem Lebenssinn, nach Arbeit, nach Liebe und Verbindung.
Bewertung
Die Gesamtnote von 2,1 reflektiert die Bewertung des Werks weniger als die Tatsache, dass nur einzelne aus unserer Runde „Das Ungeheuer“ vollständig gelesen haben. Nur ein Mitglied hat die Tagebuchfragmente Floras bis zu ihrem Ende gelesen. Kopps Reisegeschichte ist vergleichsweise lesefreundlich, hat dennoch nur wenige bis zum Schluss gefesselt.
Bei aller Relevanz, die den Themen zugestanden werden mag, und allem Respekt vor der neuartigen formalen Umsetzung dieser Themen, bleibt die mangelhafte Lesbarkeit des Romans geradezu "ungeheuerlich".
Die Auszeichnung mit dem deutschen Buchpreis 2013 stimmte deshalb einige unter uns - die wir uns nicht auf bequeme Literatur beschränkte Leser halten - nachdenklich.
(az)