Hanser Verlag 2015, 352 Seiten
Verstörend, Kulturunterschied Ost-West, Schuld/ Unschuld
Yìyún Lǐ wurde 1972 in Peking geboren und emigrierte 1996 in die USA. Ihr Roman „Schöner als die Einsamkeit“ beschreibt das Leben in einer dorfähnlichen Gemeinschaft vor dem Hintergrund der Repression durch den Staat und die Flucht aus diesem Leben durch Emigration in die USA.
Inhalt:
Ruyu ist ein Waisenkind, das von zwei katholischen Schwestern aufgezogen wurde. Sie kommt als Teenager zu entfernten Verwandten nach Peking und trifft dort auf die gleichaltrigen Moran und Boyang und auf die Tochter ihrer Gastfamilie, die in die Proteste von 1989 verwickelte Shaoai.
Über zwanzig Jahre später teilt der in Peking reich gewordene Boyang seinen beiden in die USA ausgewanderten früheren Schulfreundinnen Ruyu und Moran mit, das Shaoai gestorben ist.
Aufbau:
Der Roman pendelt zwischen diesen beiden Zeitebenen. Stück um Stück enthüllen sich die unseligen Beziehungen der vier jungen Chinesen und ihrer Verantwortung für das Leiden von Shaoai, die körperlich und geistig zum Pflegefall wurde. Diese Vergangenheit scheint derart toxisch in die Gegenwart zu wirken, dass Ruyu, Moran und Boyang nicht in der Lage sind, funktionierende Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen.
Stil:
Dieses Leben ohne Mitgefühl für andere Menschen schildert die Autorin in einer sehr distanzierten, nüchternen Sprache. Das macht das Buch wenig einnehmend, fast unangenehm zu lesen, gleichwohl aber auch eigen und interessant.
Bewertung:
Polarisiert hat uns vor allem die Beurteilung der Hauptfigur Ruyu. Ist sie ein misshandeltes, bedauernswertes Kind mit Selbstmordgedanken, das nicht weiß, was es tut, oder ein empathieloser Roboter, ein Monster sogar, das schwere Schuld auf sich lädt?
Wir konnten uns nicht einigen, unsere Wertungen schwanken zwischen 1,8 und 4,5 von 5 möglichen Punkten. ()