Wir präsentieren: Die 15 neuesten Kritiken der hamburger shortlist.
Wir treffen uns monatlich und diskutieren und bewerten gemeinsam einen Roman, den wir gelesen haben. Das Ergebnis veröffentlichen wir hier. FAQ, Termine
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Literatur-Nobelpreis 2024 für Han Kang. Unsere Bewertung ihres Romans "Die Vegetarierin".
Martina Hefter 2024
Klett-Cotta, 224 Seiten
Shortlist-Note 2.7/5
Kritik von AK
Sensibles Bild bedürftiger Menschen oder "Buchpreis"-Reissbrett-Roman? . Die Hauptfigur ist wie die Autorin Performance-Künstlerin in Leipzig und pflegt ihren Ehemann. Der Roman erzählt neben der Ehe- auch die Geschichte des Love-Scammings.
Vielen von uns war der Roman zu skizzenhaft und enttäuschte mit dem weitgehenden Fehlen eines Plots. Wer die Ehegeschichte im Vordergrund sah, fand diese dagegen gut. Ingesamt kamen wir nur auf 2,7 von 5 möglichen Punkten für den Buchpreis-Gewinner 2024.
Daniela Krien 2024
Diogenes, 304 Seiten
Shortlist-Note 3.9/5
Kritik von ut
Die Vergänglichkeit des Menschen und die Möglichkeit, trotz aller Widerstände Glück zu finden. Eine Mutter verliert ihre Tochter mit 17 Jahren. Ihre Trauer ist so umfassend, dass sie ihr bisheriges Leben nicht fortsetzen kann. Mit Mühe kämpft sie sich Stück um Stück wieder in einen normalen Alltag und in ihre Ehe zurück.
Die Mitglieder der hamburger shortlist hat dieses Buch tief beeindruckt. Lindas Geschichte zeigt die Fragilität des Lebens und stellt die eigenen Gewissheiten in Frage.
Dana von Suffrin 2024
Kiepenheuer & Witsch, 240 Seiten
Shortlist-Note 3.7/5
Kritik von dd
Ein starker Roman über das Leben und Überleben zweier Schwestern in einer dysfunktionalen Familie. Mit herrlich schwarzem Humor und zuweilen herzergreifend erkundet die Autorin die Geschichte eines jüdischen Vaters, der aus Israel nach Deutschland stolperte.
Uns hat der Roman überwiegend gut gefallen. Der Humor macht viel Freude, die eingestreuten historischen Ereignisse störten aber für einige den Lesefluss.
Ia Genberg 2023
Rowohlt, 144 Seiten
Shortlist-Note 4.0/5
Kritik von gm
Die wichtigen Begegnungen im Leben einer Frau, sehr kompakt und präzise geschildert. In vier Portraits erleben wir die Vergangenheit und prägende Personen und Beziehungen der Erzählerin.
Die präzise, sorgsam gewählte lebhafte Sprache machen die Figuren greifbar, der assoziative Aufbau gefiel den meisten von uns ebenfalls.
Gabriel García Márquez 2024
Kiepenheuer & Witsch, 144 Seiten
Shortlist-Note 2.5/5
Kritik von ut
Altmodisch, unglaubwürdig, überholtes Frauenbild. Eine Frau, verheiratet, besucht jährlich das Grab ihrer Mutter und beginnt anlässlich dieser Reisen Affären mit immer anderen Männern.
„Das Buch taugt nichts“ soll der Autor gesagt haben. Wir stimmen mehrheitlich zu und vergeben nur 2.5 von 5 möglichen Punkten.
Dorothee Riese 2024
Berlin Verlag , 240 Seiten
Shortlist-Note 2.9 /5
Kritik von dd
Autofiktionaler Coming-of-Age-Roman über ein soziales Experiment im Rumänien der 90iger-Jahre. Eine deutsche Familie wandert mit ihrer kleinen Tochter nach Rumänien aus. Wir erleben, wie die Tochter dort aufwächst, Beziehungen knüpft und mit den Widersprüchen aus mitgebrachter Utopie und vorgefundener Realität umgeht.
Die Autorin hat am Leipziger Literaturinstitut studiert. Wir fanden das Thema sehr interessant, die fragmentarische Erzählweise jedoch sehr anstrengend.
Thea Mengeler 2024
Wallstein, 175 Seiten
Shortlist-Note 4.1 /5
Kritik von ID
Feiner poetischer Roman zum Über-Tourismus, Lebenssinn und Lebensraum. Die einst trubelige Ferieninsel ist verwaist, seit die Fähren mit den Touristen nicht mehr kommen. Was tun die Bewohner jetzt?
Wir mochten den Schreibstil der jungen Autorin, und auch die Themen des Romans überzeugten uns ausnahmslos. Wer fesselnde Spannungsbögen sucht, wird jedoch hier nicht fündig.
Fien Veldman 2024
Hanser, 223 Seiten
Shortlist-Note 3.0/5
Kritik von AW
Eine junge Frau und ihre Hoffnung auf ein besseres Leben.. Der Alltag einer jungen Frau in einem Start-up und ihre Vergangenheit in einem sozialen Randviertel, ihre Kindheit und Jugend mit daran geknüpften Gewalterfahrungen und den Bürodrucker Xerox als Erzähler.
Der Verlag versprach ein „gefeiertes Debüt“ über „die Leere der modernen Arbeitswelt“. Wir finden: Themen und Figuren fehlt die Tiefe, Sprache und Stil haben uns nicht überzeugt.
Judith Hermann 2023
S. Fischer, 187 Seiten
Shortlist-Note 3.5/5
Kritik von CG
Gut geschriebene Poetikvorlesungen einer Reise durch autobiografische Episoden der Autorin.. Judith Hermann nimmt die Leser*innen mit auf eine Reise durch biografische Episoden, die nicht chronologisch erzählt werden. Eindrücklich etwa, wie die psychische Erkrankung ihres Vaters auf Leben und Erleben der Autorin wirkt.
Judith Hermann hat einen guten Schreibstil, da waren wir uns einig. Der Charakter des Buches als Vorlesungsaufzeichnung, die lose Reihung biografisch anmutender Szenen gefiel aber nicht allen.
Juli Zeh 2023
Luchterhand, 448 Seiten
Shortlist-Note 3.4/5
Kritik von AK
Ein Briefroman, in dem einstig verbundene Menschen durch soziale Polarisierung immer weiter auseinanderdriften.. Im Studium haben Stefan und Theresa zusammen gewohnt. Jetzt sind die Bäuerin und der Journalist per Whatsapp verbunden. Sie bringen sich ihre jeweiligen Lebenswelten nahe, versuchen aber auch, politische Überzeugungsarbeit beim jeweils anderen zu leisten.
Zwar störten sich die meisten von uns an den unrealistischen oder überzeichneten Figuren, bewerteten den Roman aber als spannend. Die vielen als sehr interessant empfundenen zeitaktuellen Themen trugen dazu bei, wir den Roman mehrheitlich gerne gelesen haben.
Tijan Sila 2023
Hanser, 176 Seiten
Shortlist-Note 4.0/5
Kritik von IH
Ein eindringlicher Blick auf den Alltag einer modernen Gesellschaft im Krieg . Wie der Bosnienkrieg das Leben der Bürger Sarajevos verändert. Der Roman zeichnet sich durch seinen mitfühlenden und authentischen Stil aus. Trotz der Ernsthaftigkeit des Themas schafft es Sila, Humor in die Erzählung einzuflechten und dem Leser mitzunehmen in den Alltag im Krieg.
Wir fanden vor allem die stark gezeichneten Charaktere gut. Sprache und Dramaturgie begeisterten weniger. Trotzdem bleibt das Buch eine fesselnde und wichtige Erzählung über die menschlichen Erfahrungen im Krieg.
Annette Mingels 2023
Penguin, 300 Seiten
Shortlist-Note 3.2/5
Kritik von AD
Verlust, Heimatlosigkeit und Todesnähe eines wenig sympathischen Protagonisten.. Ein Universitätsprofessor mit früher zahlreichen Affären lebt wortlos getrennt von seiner todkranken Ehefrau und vermisst sein früheres Leben.
Die shortlist war sehr gespalten in der Bewertung. Nur wenige konnten sich mit dem unsympathischen, uneinsichtigen und egoistischen Protagonisten anfreunden. Daneben störte viele der langatmige Plot.
Mohamed Mbougar Sarr 2022
Hanser, 448 Seiten
Shortlist-Note 3.2/5
Kritik von GM
Spannende Suche nach einem verschollenen Autor mit Themen wie Kolonialismus, Politik und Identität.. Wir begleiten einen Autor aus dem Senegal über verschiedene Kontinente und zu vielen involvierten Personen, um einen früher verschwundenen Autor zu finden. Erzählungen, Tagebucheinträge und Briefen, Zeitungsartikel und Interviews dokumentierten die Suche. Kolonialismus, Politik und Identität werden immer wieder verhandelt. Zeitweise liest sich der Roman wie eine Satire auf den französischen Literaturbetrieb.
Der Roman erhielt den angesehenen französischen Prix Goncourt, konnte uns in der Mehrheit aber nicht überzeugen. Einige schätzten den abwechslungsreichen und komplexen Stil sehr. Für viele wirkte der Roman sehr überladen und mit manchen Erzählsträngen zu verästelt.
Jakob Guanzon 2023
Elster, 380 Seiten
Shortlist-Note 4.0/5
Kritik von IH
Ein starker Roman, der zeigt, wie Fehler im System die Armut nicht verhindern.. Henry lebt mit seinem kleinen Sohn auf der Ladefläche seines Pickups. Trotz seiner finanziellen Nöte will er sein letztes Geld für ein schönes Geburtstagsgeschenk verwenden. Eine Welt voller kleiner Fehlentscheidungen machen es ihm aber unmöglich, der Armut zu entkommen.
Das Thema des Romans hat uns durchweg gefesselt. Die Charaktere erzeugten bei allen von uns eine starke emotionale Bindung. Wir lebten, litten und empfanden tiefes Mitgefühl für die Figuren und können den Roman weiter empfehlen.
Ned Beauman 2023
Liebeskind, 384 Seiten
Shortlist-Note 3.8/5
Kritik von ID
Kreativer, mitreißender Thriller zu den vielen Krisen unserer Zeit, vom Artensterben bis zur KI.. Der spannend geschriebene Roman gibt einen Ausblick in eine Welt, wie wir sie in wenigen Jahren schon erleben werden.
Für die meisten von uns war der Roman ein Schritt aus der Lesekomfortzone. Die Themen machen nachdenklich, Tempo und Spannung und den humorvollen Stil fanden wir auf jeden Fall positiv.