Anrührend, anschaulich, dramatisch
C.H. Beck, 2011, 513 Seiten
Die Geschichte:
Wie weit geht der Mensch, geht eine Gemeinschaft, um an Geld zu kommen? Friedrich Dürrenmatt gab 1956 in seinem Theaterstück „Der Besuch der alten Dame“ eine klare Antwort. Die Dorfgemeinschaft bringt den früheren Schänder der zu Geld gekommenen Klara um.
Der indische Autor Aravind Adiga erzählt, basierend auf einer realen Begebenheit aus Mumbai, die indische Variante: Ein Immobilienhai will ein altes Haus abreißen. Er bietet den Bewohnern viel Geld, damit sie ausziehen. Alle willigen ein, nur einer nicht: ein alter Lehrer, der damit die Wut der anderen auf sich zieht.
Stück um Stück zerbrechen die alten Freundschaften der Bewohner des Wohnblocks, wird der an seinen Erinnerungen hängende Lehrer isoliert und lächerlich gemacht. Der bis dahin seit Jahrzehnten funktionierende Mikrokosmos aus ganz unterschiedlichen Bewohnern mit all ihren Schwächen und Macken zerfällt. Endlich scheint es eine Chance zu geben, die eigenen Wünsche und Sehnsüchte zu verwirklichen. Schließlich kämpft jeder Bewohner um das Geld für sich und seine Angehörigen – und gegen den Lehrer.
Bewertung:
Der Leser folgt dieser sehr bildhaften Beschreibung einer indischen Hausgemeinschaft mit dem bezeichnenden Namen Confidence (Vertrauen) und den Winkelzügen des Immobilienhais und seiner Handlanger mit einer Mischung aus Vergnügen, Bangen und wechselnden Sympathien. Denn Adiga vermeidet jedes Gut-Böse-Schema. Jeder der Handelnden in dieser Geschichte hat nachvollziehbare Gründe für das, was er will und tut - oder lässt. Bis hin zum verstörenden Ende.
Mitunter verwirren allerdings die vielen ähnlich klingenden Namen. Auch werden die Marotten der Bewohner an manchen Stellen zu sehr ausgebreitet. 100 Seiten weniger hätten dem Buch gut getan. In jedem Fall fehlt der Sog, die Rasanz und auch die stückweise Bösartigkeit des ersten Buches von Aravind Adiga, dem „Weißen Tiger“.
Wir geben daher – bei 1 bis 5 (Bestnote) möglichen - 2,9 Punkte.
(ut)