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Kazuo Ishiguro: "Klara und die Sonne“ Sind Roboter die besseren Menschen? Dystopie mit wenig Lichtblicken
Karl Blessing Verlag, 2021, 350 Seiten Der Plot Die 13jährige Josie, ein Mädchen aus recht wohlhabendem Hause, entscheidet sich zum Kauf von Klara. Der Roman spielt in einer dystopischen Zukunft, in der die Gesellschaftsordnung verändert ist. Eltern müssen entscheiden, ob sie ihre Kinder genetisch verändern, um ihnen eine bessere schulische Ausbildung zu ermöglichen. Kinder, die nicht „gehoben“ sind, haben weniger Zukunftschancen, können die meisten Colleges nicht besuchen und den Schulunterricht kaum finanzieren. Josie, so erfährt man im Laufe des Buches, ist Infolge der Hebung ihrer Intelligenz häufig krank und körperlich schwach. Sie droht wie ihre Schwester Sal daran zu sterben. Während die Eltern von Josie Vorkehrungen für die Trauerverarbeitung im Falle des Todes ihrer zweiten Tochter treffen, arbeitet Klara daran, eine Heilmethode für Josie zu finden und einen Pakt mit der Sonne zu schließen. Zum Autor Ishiguro, der früher als Sozialarbeiter tätig war und sich bis heute für soziale Projekte engagiert, erhielt für seinen Weltbestseller „Was vom Tage übrig blieb“ den Booker Prize und 2017 den Nobelpreis für Literatur. Schon in 2005 hat er sich in seinem Roma „Alles, was wir geben mussten“ mit dem Zukunftsthema „Klonen und Organhandel“ beschäftigt. Kaum Drama bei gleichmäßiger Empathie Eine größere Entwicklung der künstlichen Freundin, die trotz Programmierung immer weiter dazu lernen und viel beobachten soll, kann bis zum Ende des Romans kaum entdeckt werden. Vielmehr scheint ihre Figur zum Teil nicht ganz stimmig und rund beschrieben zu sein, zumal sie als Automat bzw. Computer Furcht empfindet, mal supernaiv ist, mal übermenschlich. Auch der Autor traut sich in diesem Roman keine starken Entwicklungen und Konflikte zu. Er meidet ein schicksalhaftes Ende, setzt lieber auf ein – konstruiert wirkendes und zu schnelles – Happy End. Ein zunächst aufgebauter Spannungsbogen bleibt ohne befriedigende Lösung. Insgesamt kamen die ethischen Aspekte, insbesondere hinsichtlich künstlicher Intelligenz und ihres Einflusses auf menschliches Verhalten, zu kurz. Technikphilosophische Ansätze sind kaum erkennbar. Dadurch, dass der Autor zahlreiche Aspekte im Roman absichtlich auslässt, rätselt der Leser lange, was es mit Begriffen wie „gehoben“, „KF“ und „B3“ sowie mit der Krankheit von Josie auf sich hat oder, weshalb Josie’s Vater nicht mehr in seiner alten Arbeitsstätte tätig ist. Die Sonne, die vermutlich als roter Faden des Buches gedacht ist, und ihre – wie Klara naiv annimmt – direkt heilende Wirkung auf Lebewesen, vermag keinen Lichtblick auf die nicht näher beschriebene Dystopie, die offenbar vorherrscht, zu werfen. Das Ende des Buches erscheint selbst für einen Zukunftsroman unrealistisch. Gleichwohl regt der Roman zum Nachdenken an und war in Teilen berührend. Zahlreiche ethische Fragen zum Thema künstliche Intelligenz hätten aber noch besser abgearbeitet werden können. Bewertung | |
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