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Buchkritik

Jens Steiner: "Carambole“

Dorftristesse in 12 Runden
Dörlemann Verlag, 2013, 288 Seiten


Inhalt:
Carambole erzählt in zwölf Kapiteln über das Leben in einem fiktiven Schweizer Dorf. Da gibt es die drei Schüler, Manu, Fred und Igor, die in der Hitze des Sommers gelangweilt auf die in zwei Wochen beginnenden Sommerferien warten. Renate, die in Fred verliebt ist. Renates Eltern, die sprachlos nebeneinander leben. Den erfolglosen Gärtner, dem seine Frau wegläuft. Den ehemaligen Knecht Heinz. Den Frühpensionierten, der sich jeden Tag tiefer in die Erde gräbt. Schorsch, den Dorfstreicher. Und die drei älteren Herren, die „Troika“ die sich regelmäßig treffen und Carambole spielen, ein Brettspiel aus Indien.


Plot & Damaturgie:
Anspiel, Zugzwang, Pause, Patt, Aus: Jens Steiner hat die 12 Kapitel seines Buches nach den Etappen eines Spieles benannt. Tatsächlich scheinen die ersten Erzählungen von Carambole beiläufig aneinandergereiht. Doch mit weiterem Fortschreiten des Buches zeigen sich Querbezüge und Zusammenhänge, erfährt der Leser in jedem Kapital mehr über die tragischen und traurigen Schicksale dieser in sich verstrickten und gefangenen Dorfgemeinschaft.


Sprache & Stil:
Gekonnt wechselt Steiner bei jedem Kapital die Erzählperspektive, lässt die Dorfbewohner in der Ich- oder auch Er-Perspektive ihre Biografien, Ausschnitte aus ihrem Leben und dem der anderen Dorfbewohner erzählen. So liest man etwa mit leisem Grauen von dem im Rollstuhl sitzenden namenlosen Beobachter, der das ganze Dorf von seinen Balkon aus mit Fernrohren observiert. Er hat einst einen Unfall verursacht, bei dem die Eltern einer Familie aus dem Dorf ums Leben kamen. Auch die beiden Kinder, zwei Brüder, leben noch im Dorf.


Bewertung:
Nach dem Erfolg von „Hasenleben“ 2011 ist Carambole bereits der zweite Roman von Jens Steiner, das es auf die Longlist des Deutschen Buchpreises geschafft hat (2013). In der Schweiz konnte Carambole den Buchpreis gewinnen. Auch wir waren uns einig: Dieser Autor beobachtet genau und kann mit Sprache umgehen, schafft mit dem Wechsel aus Nähe und Distanz erzählerische Spannung und wechselt gekonnt zwischen Gegenwart und Vergangenheit.


Dennoch würden Carambole nur wenige von uns weiterempfehlen. Das liegt vor allem an der Tristesse, die dieses Buch und jede einzelne Geschichte durchzieht. Enttäuschte Erwartungen, Langeweile, Gefangensein in einem sozialen Gefüge – Jens Steiner beschreibt dieses Ausgeliefertsein aus allen Perspektiven. Für die einen perfekt, für die anderen zu langsam erzählt und schwer zu ertragen.


Das spiegelt sich in unserer Bewertung wieder: Carambole bekommt wenig gute und viele schlechte Bewertungen und landet am Schluss bei 2,6 von 5 möglichen Punkten. (ut)

 

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