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Abb. © Verlag
Buchkritik

Lily Brett: "Lola Bensky“

Turbulent, komisch, schön erzählt
Suhrkamp 2013, 302 Seiten


Die Autorin: Lily Brett wurde 1946 in Deutschland geboren. Ihre Eltern heirateten im Ghetto von Lodz, wurden im KZ Auschwitz getrennt und fanden einander erst nach zwölf Monaten wieder. 1948 wanderte die Familie nach Brunswick in Australien aus. Lily Brett schreibt für ein Musikmagazin und lernt die wichtigsten Musiker und Rockstars der 60iger Jahre kennen. "Wenn Du Auschwitz überlebt hast, hast Du keine Ehrfurcht mehr vor diesen Größen", sagt Lily Brett: "Aber du verstehst, warum das Lachen im Leben wichtig ist."


Der Roman: Der Leser begleitet Lola Bensky im Jahr 1967 in London, dann auch in Amerika bei Interviews mit den Newcomern der Musikszene, die heute weltberühmt sind, und merkt schnell, dass Lola eine gestörte Beziehung zu ihrem Körper hat und unsinnige Diäten entwirft. Lola ist dick, aber sie fühlt sich fett. Und sie fühlt sich schuldig und verantwortlich für das Unglück, das ihren Eltern widerfahren ist.


Lola Bensky wurde in einem Lager für Displaced Persons geboren. Ihre Eltern waren Überlebende eines Konzentrationslagers, wanderten aus und entscheiden sich, mit ihrer Tochter Englisch zu sprechen.


Dies sollte zwar der Integration in die neue Heimat dienen. Doch der Leser ahnt auch, dass die mangelnde Ausdrucksfähigkeit in der Fremdsprache auch ein Bild für die begrenzte Möglichkeit ist, die grauenhaften Lagererfahrungen zu bewältigen.


Mit Lola begibt sich der Leser auf eine Reise in die turbulente Musikszene und in den Sog des Buches. Lola begegnet u.a. Jimi Hendrix, Cat Stevens, Twiggy, Brian Jones, Mama Cass, Janis Joplin.


Nach diesen verschlungenen Wegen begegnet Lola, inzwischen 63 Jahre alt und jetzt glücklich verheiratet, in New York erneut Mick Jagger, tauscht einen Blickkontakt und ein Lächeln mit ihm.


Stil und Sprache: In ihrer Überraschung, dass Mick Jagger schon mal etwas von Ausschwitz gehört hat, schildert Lola ihre Erfahrungen als Kind von Ausschwitzüberlebenden. Diese sehr persönlich geratenden Interviews mit den Musikikonen, gemischt mit dem frischen, unkomplizierten Erzählstil scheinen der Bann zu sein, der dem Leser das eigentlich schwere Thema des Buches bekömmlich macht.


Eingestreut in die Szenen des Jahres 1967 sind solche aus späteren Zeiten: Lolas vorübergehende Rückkehr nach Ausstralien, ihre Ehe, deren Trennung, Jahre mit Angststörung und Therapie, in deren Folge statt der Diäten sich ihre Romanfiguren Harry, Schlomo und Petrushka Inge Maria Pagenstecker aus dem „ultraprivaten Detektivbüro“ in ihren Gedanken tummeln.


Der Leser weiß beim Zurseitelegen des Buches, dass ein Leben auch mit schwieriger Biographie in Zufriedenheit und Freude gelingen kann. (cu)

 

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