Spannend, aufwühlend, brillant erzählt
Rowohlt Verlag 2018, 907 Seiten
Thema:
2011 gibt die ETA des Endes des bewaffneten Kampfes bekannt. Doch für die Bewohner eines kleinen Dorfes im spanischen Baskenland ist kein Friede in Sicht. Anhand der Geschichte zweier Familien lotet der Autor im Verlauf von 125 kurzen Kapiteln, die allesamt einen Titel tragen, das Verhältnis von Opfern und Tätern aus. Fernando Aramburu ist selbst Baske, lebt aber schon seit über 30 Jahren in Deutschland. In Spanien erschien Patria bereits 2016.
Inhalt:
Bittori – eine der neun Hauptfiguren des Romans- sitzt am Grab ihres Mannes Txato, der vor über zwanzig Jahren von Terroristen der Terrororganisation erschossen wurde, da er vermeintlich die ‚Revolutionssteuer` schuldig blieb. Die von der ETA so genannte ‚Revolutionssteuer‘ ist die Haupteinnahmequelle der Terrororganisation. Ihre Opfer sind vor allem baskische Großindustrielle und Großunternehmer. Bittori erzählt ihm, dass sie beschlossen hat, in das Haus, in dem sie wohnten, zurückzukehren. Denn sie will herausfinden, was damals wirklich geschehen ist, und wieder unter denen leben, die einst schweigend zugesehen hatten, wie ihre Familie ausgegrenzt wurde. Das Auftauchen von Bittori beendet schlagartig die vermeintliche Ruhe im Dorf. Vor allem die Nachbarin Miren, damals ihre beste Freundin, heute Mutter eines Sohnes, der als Terrorist in Haft sitzt, zeigt sich alarmiert. Dass Mirens Sohn etwas mit dem Tod ihres Mannes zu tun hat, ist Bittoris schlimmste Befürchtung. Die beiden Frauen gehen sich aus dem Weg, doch irgendwann lässt sich die lange erwartete Begegnung nicht mehr vermeiden und es kommt zu ersten Annäherungsversuchen.
Doch nicht nur die Mütter stehen im Fokus, auch deren Kinder und deren Lebensgeschichten gewinnen Kontur in diesem Roman.
Bewertung:
Wohl lange nicht wurde in unserem Literaturkreis ein Roman so überaus gut besprochen wie Patria. Er erhielt in der durchschnittlichen Gesamtbewertung 4,4!
Die Mehrzahl der Lesenden gab dem Roman die Höchstnote für Dramaturgie und Spannung, auch die facettenreiche und glaubwürdige Charakterisierung der einzelnen Figuren wurde von fast allen gelobt. Darüber hinaus wurden auch Stil und die recht schmucklose, auf Metaphern weitgehend verzichtende, lakonische Sprache mit überwiegend positiv bewertet. Interessant ist der stetige Wechsel der Erzählperspektiven, die dem Erzählten zusätzliche Dimensionen verleiht. Abgesehen davon stieß aber auch das Thema auf großes Interesse. Ein überaus lesenswertes Buch! (MM)