Historisch interessant, gut lesbar, stimmig
Zsolnay, 2011, 352 Seiten
Die Geschichte:
Edmund de Waal ist ein direkter Nachfahre der jüdischen Bankiersfamilie Ephrussi, die es über Generationen hinweg in Europa zu großem Reichtum brachte. Er verfolgt die Geschichte von 264 Netsuke,-kleinen geschnitzten, japanischen Kostbarkeiten.
Seine Erzählung beginnt mit Charles Ephrussi, der die Netsuke in Paris erworben hatte. Dieser Charles war nicht nur Bankier, wie die meisten Mitglieder der Familie Ephrussi, sondern auch Kunsthistoriker, Herausgeber einer Zeitung und Mäzen der Pariser Impressionisten und Freund von Marcel Proust. Die Dreyfusaffäre, die unfassbare 12 Jahre währt, bringt die Juden und auch Charles in Mißkredit.
Die Netsuke werden als Hochzeitsgeschenk nach Wien gesandt, für Victor und Emmy, die in Wien in einem Palast residieren. Sie leben als reiche, angesehene Angehörige des Adels ohne Sorgen und Zukunftsängste. Die Vitrine mit den Netsuke hat jetzt seinen Platz im Ankleidezimmer von Emmy gefunden. Ihre Kinder haben nutzen sie fantasievoll als kleine Spielzeuge.
Der Erste Weltkrieg mit dem nachfolgenden Zusammenbruch der k.u.k. Monarchie leitet den Niedergang der Familie Ephrussi mit Ihrem Familiennetzwerk in halb Europa ein. Aus Russland und anderen Landesteilen des Ostens kommen die „Ostjuden“ nach Wien. Bei lautstarken Demonstrationen wird nun gegen Juden gehetzt. Erschütternd sind die Ausführungen de Waals über den Einmarsch der deutschen Truppen in Wien und seiner Beschreibung der perfiden, kriminellen Enteignungsmaschinerie.
Der Weg der Netsuke endet jedoch nicht in den weiten Taschen der Nazis. Sie finden im Dezember 1945 ihren Weg zurück nach Japan, und gehen schließlich als Erbe an den Autor. Der letzte Rastplatz der Sammlung ist London.
Stil & Sprache:
Flüssige Sprache, die die Tragik der Juden treffend darstellt, ohne anklagend zu wirken. Gute Beschreibungen mit interessanter Wortwahl.
Plot & Dramaturgie:
Mit der Verfolgung der Netsuke bis in die heutige Zeit ist dem Autor ein kluger, dramaturgischer Schachzug gelungen, der die einzelnen Generationen der Familie Ephrussi geschickt verbindet. Etwas zu kurz kommt die Beschreibung der persönlichen Beweggründe der einzelne Personen. Über ihr Seelenleben erfährt der Leser nur wenig.
Gesamtbewertung:
Wir haben das Buch überwiegend gern gelesen und – schwanken in der Bewertung (bei 1 bis 5 Sternen) zwischen 3 und 3,5 Sternen. ()