DuMont Verlag 2011, 416 Seiten
Wer ein neues Gebiet erkundet, ist gut beraten, sich vorher eine Karte zu besorgen. In seinem jüngsten Roman zeichnet Michel Houellebecq die persönlichen und ökonomischen Beziehungen seiner Figuren wie ein Kartograf nach, markiert Personen, Orte und Marken wie Sehenswürdigkeiten und macht sich Gedanken über Schicksal und Wille. Ist das Leben eine Straßenkarte?
Die Geschichte des Romans
Jed Martin macht Kunst mit Michelin-Straßenkarten, wird auf dem Markt platziert, hat Erfolg und gibt alles auf, um sich einem neuen Kunstprojekt zuzuwenden. Dieses Spiel wiederholt sich noch zweimal. Er verliebt sich, steht aber nicht dazu. Er verehrt und besucht den Schriftsteller Michel Houellebecq, der als menschenfeindlicher Eremit mit einer guten Portion Selbstmitleid auftritt. Jed dagegen ist selbstgenügsam, vertieft sich über Jahre in seine Projekte, und arbeitet an seinem Verhältnis zu seinem Vater.
Im zweiten Teil des Romans steht ein Verbrechen im Vordergrund. Es treten auf: ein Hauptkommissar mit Frau und passendem Kleinhund sowie sein fähiger Assistent und designierter Nachfolger. Die Polizisten müssen den Tatort, der nicht von ungefähr das Aussehen einer Satellitenbild-Aufnahme hat, "kartografieren", also Punkte und Verbindungen herstellen. Das gelingt ihnen lange nicht, obwohl sie sich im Gebiet des Mordens und der möglichen Motive gut auskennen. Der Künstler Jed Martin ist der letzte, der das Opfer besucht hat ...
Themen des Romans sind
Houellebecq skizziert mehrere bürgerliche Milieus des heutigen Frankreichs nebst allen Attributen, die dazu gehören - Marken, Verhaltensregeln, Personen, die man benutzen, einhalten und kennen muss, um dazu zu gehören. Das Leben, die Menschen und ihre Beziehungen als Straßenkarte:
- wie wird aus dem Gesprenkel einer Google-Earth-Satellitenaufnahme ein geordnetes Kartenbild?
- was definiert einen als Eintrag auf der Karte?
- wie verlaufen soziale und ökonomische Beziehungen?
- kann man seine Position auf der Karte verändern (was ist Schicksal, was bewegt Wille)?
- und lohnt sich das?
- Schließlich: können sich Gebiete und ihre Karten insgesamt verändern?
Die Bewertung der Shortlist-Mitglieder
Ein gut lesbarer, hochaktueller, aber auch etwas zahmer Roman, der zum Nachdenken anregt, wenn man den Titel wörtlich nimmt. 3 von 5 Punkten. (mz)