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Mithu Sanyal: "Identitti“ Als Roman getarnter Essay über eine feminine Identitätspolarität
Carl Hanser Verlag, 2021, 424 Seiten Der Plot Die Herkunft ihrer Eltern – ihre Mutter ist aus Polen, ihr Vater aus Indien – konfrontiert Nivedita mit verschiedenen Kulturkreisen. Sie verehrt ihre Professorin für postkoloniale Theorie und schwärmt für deren Ansichten zum Thema rassistische Diskriminierung. Die Professorin, die sich nach der hinduistischen Göttin selbst Saraswati nennt, gibt vor, indischer Abstammung zu sein. Nivedita schwärmt auch für ihre Kusine väterlicherseits, Pretty, die von England nach Deutschland kommt. Liebesgeschichten dieser drei Protagonisten flankieren die Stories um die Identitätssuchen von Nivedita und Prof. Saraswati. Beide geraten in einen digitalen Shitstorm, als Prof. Saraswati ihre wahre Identität publik macht. Zur Autorin: Viele philosophische Ansätze ohne echte Konflikte In Rezensionen wurde der Roman überwiegend sehr positiv besprochen, zumal das Thema anfangs erfrischend und locker mit einem gewissen Witz begonnen wurde. Der Hamburger Shortlist hat die Idee des Buches zwar grundsätzlich gefallen, allerdings bleibt nach der überwiegenden Auffassung der Gruppe der Plot nach etwa einem Drittel des Buches stecken. Denn Nevidita befindet sich nach dem Auffliegen der Identität der Professorin fast nur noch in deren Wohnung. Die Themen werden diskutiert, zum Teil aber zu flach abgehandelt. Auffällig ist, dass die Eltern von Nevidita nur eine nebensächliche Rolle spielen. Ihre Mutter wirkt eher schlicht, der Vater verständnislos. Dies mag ein Grund sein, weshalb Nevidita Halt bei ihrer Professorin sucht. Diese Figur wiederum stellte im Grunde eine doppelte Provokation dar: Sie verschleiert einerseits die Herkunft und Identität ihrer Person und gibt vor eine sogenannte „Person of Colour“, kurz PoC, zu sein. Andererseits wirft sie die Frage auf, ob eine Person, die – offiziell – keine PoC ist, sich zu Themen, die PoC angehen, äußern darf und sollte. Diese sowie einige andere Situationen werden im Buch ins Absurde gesteigert und überdreht. Was als humorvolles Gestaltungsmittel gedacht ist, führt dazu, dass die inhaltliche Debatte vom Leser nicht mehr ernst genommen wird. Die Absicht des Buches ist nicht klar: Es ist halb dokumentarisch, manches wirkt jedoch überkonstruiert. Darüber hinaus gefiel den meisten aus der Gruppe die sehr lockere, jugendliche Sprache nicht. Wegen des fehlenden klassischen Handlungsstranges wurde das Buch als eher anstrengend empfunden. Bewertung | |
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