Langweilig, uninteressant, unglaubwürdig.
Carl Hanser Verlag, 2012, 464 Seiten
Wir wissen nicht, was die Kritiker bewogen hat, dieses Buch in den höchsten Tönen zu loben. Warum sie gebannt der Handlung folgen, einen Spannungsbogen sehen, plastische Figurenbeschreibungen erkannt haben und schöne Sätze mit ausdrucksstarken Bildern.
Die Meinung unseres Literaturkreises weicht hiervon grundlegend ab und zwar nicht nur vereinzelt, sondern unisono bei praktisch allen Gruppenmitgliedern: Kanada erhält mit 1,5 Punkten von 5 möglichen eine der schlechtesten Bewertungen, die wir in dieser Gruppe seit 3 Jahren und 36 Buchkritiken vergeben haben.
Der Inhalt:
Glaubt man dem Klappentext, dann hat man es hier mit einer dramatischen Entwicklungsgeschichte eines Jugendlichen zu tun, der sich inmitten von Kriminalität und Brutalität behaupten muss. Illegaler Handel, ein Banküberfall, drei Morde. Dells Eltern, so erfährt man, sind nach einem gescheiterten Banküberfall festgenommen worden. Bei Arthur Remlinger kann Dell unterschlüpfen - doch der Besitzer eines heruntergekommenen Jagdhotels erweist sich als ein Mann mit dunkler Vergangenheit.
Liest man das Buch, das aus der Sicht des 60jährigen Ich-Erzählers geschrieben ist, findet sich weder Dramatik noch Katastrophe. Stattdessen serviert der Autor lediglich über und über Details, die weder zur Handlung noch zum Verständnis der Personen beitragen, und wird im zweiten Teil zudem völlig unglaubwürdig, wenn er das Personal des Jagdhotels samt seiner Vergangenheit vorstellt.
Sprache:
Die Sprache ist schlicht. Einfache Satzkonstruktionen, einfache Wörter, und zwischendrin banale Lebensweisheiten des Vaters. “Manchmal können einem schlimme Dinge passieren. Aber man lebt weiter, man steht sie durch.“
Die Erzählkonstruktion ist ermüdend und ärgerlich.
150 Seiten lang warnt der Autor immer wieder, dass und was die Eltern Unvorstellbares tun werden. Um dann im zweiten Teil 150 Seiten lang zu warnen, dass es in Kanada ein ganz schlimmes Ende nehmen wird. In beiden Fällen wird das tatsächliche Ereignis der künstlich aufgebauschten Spannung nicht im Ansatz gerecht.
Novelle hätte genügt
Eine einzige halbwegs kritische Stimme gab es im Reigen der Kritiker. "Die Zeit" fragt, ob die kleinere Prosaform nicht auch für die Geschichte von Dell Parson ausgereicht hätte. In jedem Fall. (ut)