Kriminalgeschichte auf hohem sprachlichem Niveau
Diogenes Verlag 2017, 288 Seiten
Zum 400. Todestag von William Shakespeare im Jahr 2016 hat der Verlag The Hogarth Press, der 1917 von Leonard und Virginia Woolf gegründet wurde, namhafte Schriftsteller zu Neuerzählungen von Shakespeare-Werken aufgefordert. "Nussschale" ist der Beitrag von Ian McEwan.
Inhalt und Aufbau:
McEwan hat sich in seiner Auftragsarbeit "Hamlet" vorgenommen. Die Handlung ist deshalb vorhersehbar: Es geht um Bruder - und Gattenmord,um die Ermordung von Hamlets Vater. Trudy (Gertrude) und Claude (Claudius) planen raffiniert und ruchlos die Ermordung von Trudys Gatten. Das Besondere - wenn auch nicht Neue - ist die Erzählperspektive: Der Erzähler ist nämlich ein altkluger Fötus. Trudy ist im 8. Monat schwanger von ihrem Gatten.
Stil und Sprache:
In gewohnter erzählerischer Meisterschaft (so wurde es von den meisten von uns beurteilt) lässt McEwan den Fötus nicht nur über die Mordpläne seiner Mutter und seines Onkels räsonieren,sondern auch über Weltgeschehnisse und Literatur und wie ein kundiger Sommelier über erlesene Weine, deren reichlichen Genuss er mit der Mutter oft bis zur Trunkenheit teilt. "Der Rest ist Chaos" (Zitat aus dem Roman)
Bewertung:
Hamlets komplizierte Sein oder Nichtsein Problematik wird zur vorhersehbaren Kriminalgeschichte banalisiert, nicht im entferntesten auf McEwans gewohntem Niveau. Allerdings wurde der Roman von einigen doch gerne gelesen, auch wegen des nicht abzustreitenden Humors des liebenswerten Fötus. Im Schnitt ergab das nur 2,6 Punkte von 5 möglichen Punkten, bei einer Bandbreite von 1.2 bis zu 4.8 Punkten.
(he)