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Mario Vargas Llosa: "Harte Jahre“ Interessantes Thema enttäuschend umgesetzt, ermüdende Lektüre
Suhrkamp 2020, 411 Seiten Darum geht es: Mario Vargas Llosa "Harte Jahre" erzählt die politische Geschichte Guatemalas zwischen etwa 1944 und 1957. Schwerpunkt sind die beiden demokratischen Präsidentschaften von Juan José Arévalo und von Jacobo Árbenz Guzmán sowie die nachfolgende Diktatur von Oberst Carlos Castillo Armas. Llosa beschreibt, wie ein Putsch die beginnende Demokratisierung des Landes im Keim erstickte. Es folgte eine Militärdiktatur von Gnaden der USA. Laut Klappentext erwarten die Leser ein "vielstimmiges Romanepos über Macht, Verschwörung und Verrat – über die Fallstricke der Geschichte und die dreisten Machenschaften imperialer Politik. Und ein virtuoser literarischer Hochseilakt" So klingt der Roman: Kein Zweifel, das Thema des Buches ist hochinteressant. Wie die USA die Demokratisierung Guatemalas von oberster Stelle untergraben und rücksichtslos unterbunden haben, ist erschütternd zu lesen. Präsident Guzman stürzte im Jahr 1954 durch einen Militärputsch, der von der CIA durch Verleumdung in die Wege geleiteten und orchestriert wurde. Anlass dieser Intervention war die bedrohte Monopol-Stellung der US-amerikanischen Fruit-Company in Guatemala. Die Regierungen unter Präsident Guzman und Arbenz planten eine Bodenreform. Sie wollten Steuern erhöhen, Gewerkschaften zulassen und gar Mindestlöhne einführen. Mit gezielten Falschmeldungen und völlig fakten-befreiten FakeNews, die dennoch von der Presse weltweit - und insbesondere in den USA - willig aufgenommen und verbreitet wurden, wurde die Angst vor einem drohenden Kommunismus und "Sowjetisierung" geschürt. Und damit das Fundament für die Intervention in Guatemala gelegt, die das Land und nicht zuletzt ganz Mittel- und Südamerika für Jahrzehnte in verheerende wirtschaftliche und politische Verhältnisse stürzte. Diese Gemengelage hat der Autor in einem übervollen Roman verarbeitet, in dem historische Tatsachen, gepaart mit realen und fiktiven Personen und eine Unmenge an Daten, Namen, Zahlen und Randnotizen mit mehreren Parallelhandlungen aufbereitet sind. Das ist unsere Meinung: Es drängt sich der Verdacht auf, dass einem hochdekorierten Literaturnobelpreisträger das Lektorat nicht in dem Maße zusetzt, wie es dem Buch (oder den Lesern) gut getan hätte. Viele von uns Leser:innen haben andere Bücher von Mario Llosa gerne gelesen. "Tante Julia und der Kunstschreiber" oder "Das Fest des Ziegenbocks" sind uns als großartige Romane in Erinnerung. Die Lektüre dieses Buches ist verglichen damit enttäuschend. Die Namensklauberei aller vorkommenden Personen ist ermüdend (und nicht notwendig), das geringschätzige Frauenbild des Autors ist entsetzlich - und selbst bei Wohlwollen nicht durch die 1950er Jahre, in denen die Handlung angesiedelt ist, zu entschuldigen. Fehlende Innerlichkeit der handelnden Personen macht es schwer bis unmöglich, die Intentionen oder gar Motivationen der Protagonisten nachzuvollziehen. Die Geschichte Guatemalas wird uns Leser:innen zugänglich gemacht - das allerdings schon im ersten Kapitel, welches wohl das spannendste und informativste des ganzen Buches ist. Nur eine Leserin in unserem Kreis konnte einen virtuosen Spannungsbogen im Buch erkennen, den anderen blieb diese Erkenntnis verwehrt. Der Spagat zwischen Belletristik und Historischem Roman ist aus unserer mehrheitlichen Sicht also nicht gelungen. Fazit: | |
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