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David Peace: "GB84“ Schwierige Lektüre, sehr eigenwillig, fragmentierte Sprache und Handlung
Liebeskind Verlagsbuchhandlung, München 2014, 544 Seiten Was für ein vielversprechendes Thema: Der Autor David Peace arbeitet den britischen Bergarbeiterstreiks von 1984-85 auf. Margaret Thatcher geht mit aller Vehemenz gegen die Gewerkschaften vor. Nach einem Jahr hartem Streik sind die Gewerkschaften am Boden zerstört, eine politische Wende ist eingeleitet worden. In die Aufarbeitung dieser britischen Geschichte verwoben ist eine Kriminalhandlung, die Spannung verspricht. Und nicht zuletzt ist der Autor mit Preisen dekoriert und das Buch in den Feuilletons hoch gelobt. Wir haben uns viel versprochen von dem Buch - es wurde uns nicht eingelöst. Aufbau und Struktur In diesen kompositorischen Rahmen wollte der Autor das widerspiegeln, was seiner Meinung nach den Bergarbeiterstreik kennzeichnete: chaotische Strukturen, unklare Machtverhältnisse, ein Umfeld von Bedrohung, Machtmissbrauch, Korruption und die Unfähigkeit und den Unwillen aller beteiligten Parteien zu einer einvernehmlichen Kommunikation oder gar einem Kompromiss zu kommen. Dieses Durcheinander zu dechiffrieren ist aber in Deutschland, 30 Jahre nachdem der Streik in Britannien zu Ende gegangen ist, nicht mehr möglich. Zwei Beispiele mögen das veranschaulichen:
Stil und Sprache Nach eigener Aussage hätte Peace zudem gerne noch mehr Altenglisch, lateinische und französische Wörter eingestreut, um die Referenz auf den Normannen William the Conqueror (Wilhelm den Eroberer) zu ziehen, der 1066 England eroberte. In der Tradition von William, der damals England und Yorkshire überrannte und in den folgenden Jahren lokale Aufstände blutig unterdrückte, sieht der Autor das Vorgehen von Thatcher gegen die streikenden Bergarbeiter. (1) Und schließlich kommt in diese Mischung von angedeuteten Namen und Handlungen, geschrieben in einer höchst eigenwilligen Stakkato-Sprache noch der erklärte Willen des Autoren, das Chaos des Streiks und die unklaren Machtverhältnisse dieser Zeit in seinem Roman genauso abzubilden. Das heißt es gibt auch in dem fiktiven Krimi-Geschehen keine eindeutige Struktur. Jeder betrügt jeden, wer von wem welchen Auftrag bekommt, bleibt willentlich im Unklaren. Nur durch indirektes Schlussfolgern wird klar, welche Motive bei welchem Protagonisten zu welchen Handlungen führt. Bewertung David Peace weiß, wie schwierig er schreibt. Sein kommerzieller Erfolg verwundert ihn selber. Er geht sogar davon aus, dass viele seiner Bücher nur aufgrund der guten Kritiken gekauft werden, von Lesern, die nicht wissen worauf sie sich einlassen. Leser, die dann nach den Erstseiten-Schock das Buch für immer zur Seite legen. (2) Und genauso erging es uns. Niemand von uns kam über ein Drittel des Buches hinaus. Unsere These: Nur sehr wenige Leser werden in Deutschland das Buch und den Krimi genießen können. Referenzen und Sekundärliteratur zu GB84 (1) "I particularly wanted to excise as much Latin and French derived words from the text as possible. This relates to the idea of the North, and of Yorkshire in particular, being a separate country within a country. Thatcher's treatment of the miners, for me, echoed William the Conqueror's 'Harrowing of the North' - when Norman troops killed every male in Yorkshire and salted the earth - following his victory at Hastings" (2) Sehr interessantes Interview mit David Peace bei Spiegel Online (3) "The Third English Civil War: David Peace's "Occult History" of Thatcherism" von Matthew Hart (4) “A Scar Across the Country”: Representations of the Miners’ Strike | |
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