Literatur am Abend: Montag, 5. August, 19.30 Uhr
Barbara Kingsolver - Demon Copperhead

Abb. © Verlag
Buchkritik

Ned Beauman: "Der gemeine Lumpfisch“

Kreativer, mitreißender und tragischer Ökothriller zum Artensterben
Liebeskind 2023, 380 Seiten


Der Autor:
Ned Beauman ist ein britischer Schriftsteller und Drehbuch-Autor. Er studierte Philosophie und schrieb als Redakteur für verschiedene Magazine. 2010 veröffentlicht er seinen ersten Roman. Seine Werke werden für verschiedene Awards nominiert und ausgezeichnet. Auch auf der Granta-Liste der „Best of Young British Novelists“ findet er einen Platz. „Venomous Lumpsucker“, so der Originaltitel, ist sein fünfter Roman.


Die Handlung:
Der in der nahen Zukunft spielende Roman „Der gemeine Lumpfisch“ setzt sich mit vielen Krisen unserer Gegenwart - allen voran dem Artensterben - kreativ, tragisch und komisch auseinander.


Als ungleiches Paar verfolgen wir die Protagonisten Mark Halyard und Karin Resaint, die auf der Suche nach dem für ausgestorben gehaltenen gemeinen Lumpfisch sind. Mark arbeitet für eine Firma, die Tiefseebergbau betreibt, als sogenannter Umweltverträglichkeitskoordinator. Die Firma muss, weil sie das Aussterben einer Art mitverantwortet, bei einer Weltorganisation teure Auslöschungszertifikate erwerben.


Mark hintergeht seinen Arbeitgeber und verspekuliert sich mit den Zertifkaten. Um den Gefängnis zu entgehen, muss er ein echtes Exemplar des Lumpfisches in freier Wildbahn ausfindig machen. Dazu benötigt er die Lumpfisch-Expertin Karin Resaint, die zunehmend unter dem Artensterben leidet.


Beide zusammen machen sich auf eine Abenteuerreise durch das inzwischen deutlich wärmere Finnland, Estland und über die Ostsee.


So klingt der Roman:
Mit einem hohen Maß an Detailverliebtheit und Humor gewährt dieser mitreißend geschriebene Roman einen Ausblick in eine künftige Welt, wie wir sie in wenigen Jahren schon erleben werden.


Der Autor zeichnet sich aus durch viel Recherche. Autonom fahrende Taxis und Boote, fehl geschlagenes Geo-Engineering gegen die Klima-Erwärmung, ein deutlich wärmeres Finnland und Estland, Brexit und AfD, Finanzinvestoren, Finanzspekulation und Lobbyisten, Zertifikate-Handel als "marktwirtschaftliches Instrument" zur Lösung der Klima-Krise, Meeres-Wohnplattformen für die Reichen ohne Steuern und Regeln, Genom-Bastler und Startups, ein immer gleich schmeckendes Essen und natürlich künstliche Intelligenz - das alles kommt vor.


Zugleich versucht er, so sagt er in einem Interview, seine Geschichten mit dem Tempo eines amerikanischen Films zu erzählen. Das schafft er mit knackigen Dialogen, gut beschriebenen Szenen, etlichen Cliffhangern und Humor.


Unsere Bewertung:
Für die meisten von uns war dieser Roman ein Schritt aus der Lesekomfortzone. Dennoch haben uns das Thema Artensterben, oder besser gesagt die vielen Facetten der Themen, die Beauman in seinem Roman behandelt, tief in Entwicklungen eintauchen lassen, die wir demnächst erleben werden.


Das Tempo und die Spannung fanden wir in jedem Fall positiv. Das sehr detaillierte Erzählen des Schriftstellers ist interessant, wurde von einigen aber auch als zu ausführlich empfunden. Fest steht: „Der gemeine Lumpfisch“ erfordert Aufmerksamkeit und lässt sich nicht mal eben nebenbei lesen. Dafür belohnt er den Leser mit einem sehr humorvollen Stil und schrägen Nebencharakteren.


Zu vielen der Themen hatten wir in unserer Runde einen regen Austausch, vieles stimmte auch nachdenklich. Mit 3,8 Punkten von 5 möglichen Punkten erzielte der sehr aktuelle Roman eine weit überdurchschnittliche Gesamtwertung.
(ID)

 

Weitere Kritiken:

Fien Veldman: Xerox
Judith Hermann: Wir hätten uns alles gesagt
Annette Mingels: Der letzte Liebende
Tijan Sila: Radio Sarajevo
Mohamed Mbougar Sarr: Die geheimste Erinnerung der Menschen
Juli Zeh Simon Urban: Zwischen Welten
Johan Theorin: Nebelsturm
Milena Michiko Flasar: Herr Kato spielt Familie
András Forgách: Akte geschlossen
Haruki Murakami: Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki
Jens Steiner: Carambole
Lily Brett: Lola Bensky
Jakob Guanzon: Überfluss
Jennifer Egan: Candy Haus
Fatman Aydemir: Dschinns
Claudia Schumacher: Liebe ist gewaltig
Isabel Allende: Violeta
Hernan Diaz: Treue
Edouard Louis: Anleitung ein anderer zu werden
Eckhard Nickel: Spitzweg
Daniel Schreiber: Allein
Marie NDiaye: Die Rache ist mein
Jonathan Franzen: Crossroads
Stephan Thome: Pflaumenregen
Alex Schulman: Die Überlebenden
Mithu Sanyal: Identitti
Christian Kracht: Eurotrash
Kazuo Ishiguro: Klara und die Sonne
Ayad Akhtar: Homeland Elegien
Annette Mingels: Dieses entsetzliche Glück
Deniz Ohde: Streulicht
Adam Haslett: Stellt euch vor, ich bin fort
Mario Vargas Llosa: Harte Jahre
Birgit Birnbacher: Ich an meiner Seite
Adeline Dieudonné: Das wirkliche Leben
Ulrich Tukur: Ursprung der Welt
Dror Mishani: Drei
Eugen Ruge: Metropol
Ocean Vuong: Auf Erden sind wir kurz grandios
John Ironmonger: Der Wal und das Ende der Welt
Annette Hess: Deutsches Haus
Daniela Krien: Die Liebe im Ernstfall
Monica Sabolo: Summer
Nell Zink: Virginia
Annie Ernaux: Erinnerung eines Mädchens
Maria Cecilia Barbetta: Nachtleuchten
Stephan Thome: Gott der Barbaren
Fernando Aramburu: Patria
João Tordo: Die zufällige Biographie einer Liebe
Ayelet Gundar-Goshen: Lügnerin
Robert Menasse: Die Hauptstadt
Yaa Gyasi: Heimkehren
Edna O’Brien: Die kleinen roten Stühle
Lauren Groff: Licht und Zorn
Franzobel: Das Floß der Medusa
Julian Barnes: Der Lärm der Zeit
Dorit Rabinyan: Wir sehen uns am Meer
Nathan Hill: Geister
Ian McEwan: Nussschale
Elif Shafak: Der Geruch des Paradieses
Han Kang: Die Vegetarierin
Steven Galloway: Der Illusionist
Jane Gardam: Ein untadeliger Mann
Elena Ferrante: Meine geniale Freundin
Joost Zwagerman: Duell
Dietmar Dath: Leider bin ich tot
Sascha Reh: Gegen die Zeit
Andreas Kollender: Kolbe
Yiyun Li: Schöner als die Einsamkeit
Monique Schwitter: Eins im andern
Maylis de Kerangal: Die Lebenden reparieren
Harper Lee: Gehe hin, stelle einen Wächter
Nadifa Mohamed: Black Mamba Boy
Amos Oz: Judas
Ludwig Winder: Der Thronfolger
Patrick Modiano: Gräser der Nacht
Carl Nixon: Settlers Creek
David Peace: GB84
Hilary Mantel: Die Ermordung Margaret Thatchers
Jhumpa Lahiri: Das Tiefland
Yasmina Reza: Glücklich die Glücklichen
Margriet de Moor: Melodie d'amour
Chimamanda Ngozi Adichie: Americanah
Michael Chabon: Telegraph Avenue
Daniel Galera: Flut
Elizabeth Strout: Das Leben natürlich
Terézia Mora: Das Ungeheuer
Uwe Timm: Vogelweide
Leon de Winter: Ein gutes Herz
Ned Beauman: Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beförderung eines Menschen von Ort zu Ort
Juli Zeh: Nullzeit
Taiye Selasi: Diese Dinge geschehen nicht einfach so
Richard Ford: Kanada
Jenny Erpenbeck: Aller Tage Abend
Stephan Thome: Grenzgang
Ursula Krechel: Landgericht
Stephan Thome: Fliehkräfte
Clemens J. Setz: Indigo
Vea Kaiser: Blasmusik Pop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam
Germán Kratochwil: Scherbengericht
Véronique Olmi: In diesem Sommer
Toine Heijmans: Irrfahrt
Thomas von Steinaecker: Das Jahr, in dem ich aufhörte mir Sorgen zu machen und anfing zu träumen
Annette Pehnt: Chronik der Nähe
Anna Katharina Hahn: Am Schwarzen Berg
Olga Grjasnowa: „Der Russe ist einer, der Birken liebt
Eugen Ruge: „In Zeiten des abnehmenden Lichts“
Judith Schalansky: Der Hals der Giraffe
Edmund de Waal: Der Hase mit den Bernsteinaugen
Aravind Adiga: Letzter Mann im Turm
Mario Vargas Llosa: Der Traum des Kelten
Javier Cercas: Anatomie eines Augenblicks
Thomas Wolfe: Die Party bei den Jacks
Zsuzsa Bánk: Die hellen Tage
Michel Houellebecq: Karte und Gebiet
Jonathan Lethem: Chronic City
Siri Hustvedt: Der Sommer ohne Männer
Doron Rabinovici: Andernorts
Ian McEwan: Solar
Marie N´Diaye: Drei starke Frauen
Hans-Ulrich Treichel: Grunewaldsee
Richard Price: Cash
Colum McCann: Die große Welt
Kathrin Schmidt: Du stirbst nicht
Leon de Winter: Das Recht auf Rückkehr

Alle Buchkritiken