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Dorit Rabinyan: "Wir sehen uns am Meer“ Moderne Romeo und Julia-Story
Kiepenheuer & Witsch 2016, 379 Seiten Hintergründe In der Presse wird die Story als moderne Fassung von Romeo und Julia gesehen. Eher handelt es sich aber wohl um die zwei Königskinder, die nicht zu einander kommen können, da das Wasser zu tief ist und der Königssohn nicht schwimmen kann. Der Klappentext des Verlages verspricht eine Liebesgeschichte vor einem politischen Nahost-Konflikt. Tatsächlich spielt der Hauptteil des Romans in New York. Nur das Ende, ab Kapitel 29 von 37 und damit auf 62 von 379 Seiten, spielt sich überhaupt vor Ort in Nahost, unter anderem in Tel Aviv, Jaffa und Hebron ab. Dass das israelische Bildungsministerium das Buch auf den Index setzte und es ablehnte, den Roman als Lektüre in der Schule zu empfehlen, ist in der deutschen Presse negativ aufgenommen worden, zumal das Buch den Bernstein-Preis der israelischen Verlegerorganisation erhalten hatte. Begründet wurde die Entscheidung des Ministeriums damit, dass die Geschichte über eine Liebe einer Jüdin zu einem Palästinenser bzw. nichtjüdischem Mann die separate Identität der Juden bedrohe und die Assimilation fördere. Das Buch stand jedoch auf der Liste der zehn besten Bücher des Jahres der Tageszeitung „Ha’aretz“. Die Autorin ist auf dem internationalen Literaturfestival in Berlin im September 2017 zu Gast und stellt ihr Buch vor. Begrenzte Liebe Diese politischen Dimensionen, die von der Ich-Erzählerin aus der israelischen Sicht immer wieder aufgegriffen werden, sind interessant und der politische Konflikt und die Liebesgeschichte sind sehr gut miteinander verknüpft. Die starke Bindung der Jüdin an ihre Familie und ihr Heimatland wird überaus deutlich. In der doch recht lang umschriebenen Liebesgeschichte des ersten Teils („Herbst“) sind trotz zahlreicher Be- und Umschreibungen die Persönlichkeiten der beiden Protagonisten aber nicht hinreichend klar umrissen, insbesondere nicht die der Ich-Erzählerin. Fraglich bleibt, woher die erotische Faszination füreinander kommt, sodass die Liebesbeziehung nicht glaubhaft erscheint. Insgesamt nimmt diese zu viel Raum ein und plätschert fast immer gleichbleibend vor sich hin. Erst zum Ende hin kann der Leser mit den Liebenden mitfiebern, ob sie letztlich noch dauerhaft werden zusammenleben können. Der zweite Teil („Winter“), der mit über 200 Seiten den längsten Part des Romans ausmacht, ist hingegen viel besser gelungen. Wie die beiden Protagonisten den für sie ungewöhnlich harten Winter erleben, ist sehr gut beschrieben. Die Ich-Erzählerin gibt zahlreiche Beispiele für die Konflikte auf, die sich aus den unterschiedlichen Kulturen und politischen Ansichten der beiden Protagonisten ergeben. Dies wurde zum Teil jedoch als zu konstruiert und plakativ empfunden, zumal die Geschichte kurz nach dem 11. September 2001 in New York spielt. Bewertung | |
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